Keiner starb öfter. Best of Jesus-Filme – Teil 2

3. April 2015

Unglaublich. Kaum haben wir uns vom letzten Jesus-Film-Marathon erholt, da ist schon wieder ein Jahr rum. Also ran an die Schinken! 2014 war kein verlorenes Jahr für das Jesus-Film-Genre. Zum ersten Mal seit dem im ersten Teil dieser Serie besprochenen SM-Klassiker „Passion of the Christ“ von Mel Gibson hat es das Leben des Messias in die Kinos geschafft – zumindest in die US-amerikanischen. Und da der Film kein allzu hohes Niveau hat, beginnen wir den zweiten Teil unserer Serie mit dem neuesten Jesus-Werk. Der Wiedereinstieg in die Auseinandersetzung mit Erlöser-Filmen soll ja weder uns noch euch überfordern.

Klappe 3: Gottessohn

Es ist schon einigermaßen billig, im Jahr 2014 einen Film über das Leben Jesu zu produzieren und dann keine einzige originelle Idee umzusetzen. Das beginnt beim Titel des Streifens: „Son of God“. Ja, das war er nach herkömmlicher christlicher Lehre. Das weiß wohl jedeR. Ein bisschen mehr Originalität bei der Titelwahl nächstes Mal vielleicht? Aber halt, so streng wollen wir nicht sein. Immerhin fängt „Son of God“ eigentlich ganz vielversprechend an. Jesus beginnt seine Mission mit einem Magiertrick – er zaubert für den glücklosen Petrus ein paar Meerestiere aus dem überfischten See Genezareth. 0000000Son_of_God_film_posterDamit hat er sich natürlich im Handumdrehen den ersten Jünger gesichert. Binnen weniger Szenen wird Jesus zum Superstar – und hat in manchen Einstellungen merkwürdige optische Ähnlichkeiten mit Che Guevara. Dazu passt auch einer der ersten Dialoge: „What are we gonna do?“ fragt Petrus seinen neuen Chef. „Change the world“, antwortet dieser lapidar. Besonders revolutionär gehts allerdings in der Folge nicht zu in dem Film. Und in Schlüsselszenen – etwa während der Bergpredigt oder bei seiner eigenen Auferstehung – sieht der von Diogo Morgado gemimte Jesus auch eher aus wie Brad Pitt in „Troja“ auf Droge.

Der „Son of God“ ist eine glatte Figur, ohne Widersprüche, bekannte Szenen werden zügig runtergespult – fast hat man den Eindruck, die Filmemacher hat es selbst gelangweilt, zum hundertsten Mal den Gang am Wasser, die Auferweckung des Lazarus etc.pp. streng nach biblischer Vorlage zu bringen. Wobei: Bibeltreue kritisierten, dass sich der Film sogar noch zu viele Freiheiten erlaube – siehe etwa die Fischzauberszene zu Beginn. Aber auch das Handwerkliche der aufwändigen Produktion überzeugt nicht wirklich. Einigen der aneinander gestöpselten Szenen sieht man an, dass sie aus einer Serie stammen; „Son of God“ ist die Filmwerdung des Jesus-Teils der „History Channel“-Miniserie „The Bible“.

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Listen to the fish. Ein Zauberer namens Jesus (l.) und sein erster Jünger

Irgendwo in der Mitte des Streifens meint man für einen kurzen Augenblick, die Jesus-Figur würde endlich etwas interessanter: als die 5000, denen er grad mal wieder ein paar Fische herbeigezaubert hat, „Messiah, Messiah“ zu skandieren beginnen, wird dem unfreiwilligen Führer etwas mulmig zumute und er haut ab. Gleich darauf gehts aber auch schon ganz brav weiter im Text.

Dann lässt Pontius Pilatus ein paar jüdische Demonstranten massakrieren, damit auch der soziale Hintergrund der Story mal vorkommt. Gegen Ende schließlich taucht der afroamerikanische Schauspieler Idrissa Sisco als Simon von Cyrene auf – ein Zugeständnis an die sich nun vielleicht auch in US-amerikanischen konservativen Kreisen langsam herumsprechende Erkenntnis, dass die ersten ChristInnen vielleicht doch keine WASP‘s im engeren Sinne waren. War sonst noch was? Ja: als Schlusssong wurde geschmackssicher ein Weihnachts-Überhit des Genres „Contemporary Christian Music“ gewählt: „Mary, did you know that your baby boy would one day walk on water?“ Kein weiterer Kommentar nötig.

Klappe 4: Agamben zählen

Nun aber flugs in intellektuellere Gefilde. Und da gibts neben der bereits vor einem Jahr von uns abgefeierten „Last Temptation of Christ“ von Martin Scorsese und dem hoffentlich im nächsten Jahr endlich zu besprechenden „Life of Brian“ eigentlich nur mehr „Das 1. Evangelium – Matthäus“ von Pier Paolo Pasolini. Der Atheist Pasolini beweist, dass auch ein richtig guter Jesus-Film keine inhaltlichen Extravaganzen braucht. Und so hält sich auch das „1. Evangelium“ streng an die literarische Vorlage – soweit dies möglich ist. Der 000000000Pasolini_Gospel_PosterBeginn etwa lässt durchaus Interpretationsspielraum. Wir haben es so gesehen: ein etwas unfroh dreinblickender Josef wird von einem Engel über die Ursache der überraschenden Schwangerschaft Marias aufgeklärt. Keine Angst, das kommt vom heiligen Geist, erklärt der Himmelsbote, alles in Ordnung. Schon lächelt der arme Josef wieder. Danach kann auch die Handlung endlich richtig losgehen, und bereits nach wenigen Filmminuten suchen schon die Ersten den neugeborenen Messias.

Bemerkenswert an dem Film ist die Musik-Auswahl. Viel aus der Bach‘schen „Matthäuspassion“, ein bisschen Mozart zwischendurch, dann aber auch mal afrikanische Rhythmen und Harmonien – und immer wieder das Gospel „Sometimes I feel like a motherless child“ – merkwürdig: wir dachten, der Knabe hätte keinen richtigen Vater?!

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Kommunisten unter sich: Jesus (l.) und Pier Paolo Pasolini (r.)

Der Jesus Pasolinis ist der Jesus der Bibel, sofern man sie richtig liest: ein Sozialrevolutionär und Aufwiegler, der recht bald klarstellt: „Ich bin nicht gekommen, um den Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Christi Lehren stehen ganz klar im Zentrum des Streifens, es gibt lange Sequenzen, in denen Enrique Irazoqui als Jesus dessen biblisch überlieferte Reden und Gleichnisse rezitiert – auch hier steht natürlich die Bergpredigt ganz oben auf der Liste. Und wenn es zwischendurch für die ZuseherInnen aufgrund der Textlastigkeit mal anstrengend wird – den Jesus im Model-Look mit Fünftagesbart und Föhnfrisur kann man sich schon eine Weile ansehen. Oder man zählt die Auftritte Giorgio Agambens. Der damalige Philosophiestudent gibt in Pasolinis Streifen den Jünger Philippus – leider nur eine undankbare kleine Nebenrolle.

– Von René Dupé

Der erste Teil dieser Serie erschien vor genau einem Jahr, der dritte folgt in genau einem Jahr.

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