Filmkritik: Tod den Hippies – Es lebe der Punk!
Mit „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“, der seit vergangenem Donnerstag in Kino läuft, soll Regisseur Oskar Roehler ein teilautobiographisches Stück seiner Jugend als Punk in Westberlin verfilmt haben. Nicht nur, dass der Film völlig misslungen ist – auch den Punk muss man mit der Lupe suchen. Man fragt sich wirklich, ob Roehler jemals Berührungspunkte zu dieser Szene hatte oder ob es sich hier um einen Marketing-Gag handelt. Doch gleichzeitig passt der Film hervorragend zur Feuilleton-Verniedlichung und nachträglicher Entpolitisierung einer Subkultur.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Dorfjunge Robert (gespielt von Tom Schilling) erstickt am Kleinstadtmief, rasiert sich einen Iro, baut Mist an seiner Schule und macht sich auf in die verheißungsvolle Großstadt, hier West-Berlin im Jahr 1980. Tagsüber verdient er dort sein Geld als Spermawegputzer in einer Peepshow, nachts taucht er ein in die örtliche Punkszene, die offenbar nur aus Blixa Bargeld als Kneipenwirt besteht. Er verliebt sich in eine Mitarbeiterin der Peepshow, die aber auf Heroin ist, klaut seinem Vater, der mal „Kassenwart bei der RAF“ war (hier immerhin schönes Boxhamsters-Zitat!) ganz viel D-Mark, muss die gestörte Beziehung zu seiner Mutter (gespielt von Hannelore Hoger) bewerkstelligen, begleitet später seinen Nazi-Jugendfreund aus Dorftagen in die schwule Lederszene, plant mit einer Band groß rauszukommen und macht so dieses und jenes ohne wirklichen Plan.
An sich kann man daraus was machen. Das wollte aber wohl keiner der Beteiligten. Fast alle Figuren sind so grotesk überzeichnet, dass man sich fast schon für die armen Schauspielerinnen und Schauspieler schämt, die so einen Unsinn zusammen spielen müssen. Das Ganze wirkt wie ein zweistündiger Sketchup-Clip aus den 80er Jahren mit Diether Krebs und Iris Berben, wenn auch ohne Flaschenbodenbrillen aber dafür auf schlechtem Koks. Den Gnadenschluss gibt „Tod den Hippies – es lebe der Punk!“ nur noch das völlig absurde und unlogische Ende, bei dem ein erleichtertes Ausatmen durch das Kino ging.
Das Ganze soll vielleicht bewusst dilettantisch und aufrührerisch daher kommen. Vielleicht sogar in einem punkigen Sinne extra schlecht. „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ wäre gern ein Low-Budget-Trashfilm, erdacht und gedreht im Suff und umgesetzt als große Party für alle am Set. Und am Ende ist es wichtiger, dass der Dreh Spaß gemacht hat und die Meinung der Kritiker und des Publikums völlig egal. Dann wäre es sogar gelungen. Aber dem mit üblichen Filmförderungen finanzierte und durch professionelle Strukturen erstellte Streifen aus der Mitte der deutschen Kulturlandschaft mit etablierten Schauspielerinnen und Schauspielern aus dem Hirn des Profi-Regisseurs Oskar Roehler nimmt man das keine Sekunde ab.
Soweit das Inhaltliche. Einen lieblosen Film rauszurotzen, ist das eine – ihn dann aber offensiv als Punkfilm zu promoten, das andere. Denn ausgerechnet „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ kommt fast völlig ohne Punk aus. Natürlich ist es ein Spielfilm und keine Doku, aber wenn man einen Film schon in eine gewisse Epoche und Subkultur platziert, sollte man zumindest ein bisschen um Authentizität bemüht sein. Hier fehlt es an allem. Man muss kein Punk-Chronist zu sein um sich zu fragen: War da nicht noch was mit Punk in Berlin um die Zeit? SO36? Bands wie PVC? Die Hausbesetzerszene? Nichts!
Nicht einmal die musikalischen Referenzen haben viel mit dem Punk-Spirit der frühen 80er zu tun. Bands wie Slime, Neurotic Arseholes, HASS oder Razzia, um nur einige zu nennen, fehlen völlig. Stattdessen: Prä-Punk von Iggy Pop, Post-Punk von Public Image Limited und die maximal Punk-beeinflussten Industrial-Musiker der Einstürzenden Neubauten. Und die Helden heißen nicht Joe Strummer, Jello Biafra oder von mir aus Peter Hein, sondern Nick Cave und eben Blixa Bargeld.
Besonders ärgerlich ist aber, wie konservativ „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ eigentlich daher kommt. Denn die Hippies, das sind die Alt-68er-Spinner an Roberts Schule: Die gehen ihm und seinem Neonazi-Freund Gries gewaltig auf die Eier und vor denen muss er flüchten. Natürlich gehört es seit jeher zum Selbstverständnis eines jeden Punks, die oder der etwas auf sich hält, die Hippies zu hassen. Aber meist weniger wegen der politischen Inhalte, sondern wegen ihrer peacigen und pazifistischen Attitüde und Musik. Tatsächlich spielt der Film zu einer Zeit, als sich die Punkszene (übrigens in Ost und West) zunehmend nach links politisierte. „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ zeigt das genaue Gegenteil. Das ist gerade mit Blick auf Berlin falsch und wird nur durch die oben genannten demonstrativen Auslassungen überhaupt realisierbar. Auf der anderen Seite ist Nazi Gries. Sein bester Freund Robert hat mit den Hitlergrüßen seines Kumpels offenbar weniger Probleme als den marxistischen Unterrichtselementen seiner Lehrer. Da Gries schwul ist, ist das auch alles nicht weiter schlimm, denn seine Homosexualität geht im Laufe des Films eine Art Metamorphose mit seinen politischen Einstellungen ein, wenn er mit ins Brusthaar rasiertem Hakenkreuz in Ledermontur sich in einem überraschend hellen Darkroom dominieren lässt. Neonazismus als sexueller Fetisch. Michael Kühnen hätte seine helle Freude dran gehabt. Zu guter Letzt noch Roberts Vater, dessen Vergangenheit bei der Roten Armee Fraktion sich auf seine unerfüllte Liebe zu „Gudrun“ beschränkt.
Trotz aller Parodie und Überzeichnung wird klar: Der Feind steht links.
„Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ ist ein weiteres Dokument der Verklärung und Verkitschung der deutschen Punkwurzeln im Stile von Jürgen Teipels Punkerzählung „Verschwende deine Jugend“, die eine facettenreiche und auch widersprüchliche Subkultur auf wenige leicht konsumierbare Happen beschränkt. Als Film Scheiße, als Punkfilm völlige Scheiße. Die Dame an der Kasse meinte beim Ticketkauf übrigens „Hätte mich auch wundert, wenn ihr in einen anderen Film gegangen wärt.“ Im Nachhinein kann man das durchaus als Beleidigung verstehen.
Franz Degowski
Filmstills aus „Tod den Hippies!! – es lebe der Punk!“
Dion 30. März 2015 - 17:50
Nehmt noch den Trailer für SLC Punk 2 auseinander! 🙂
herpes 1. April 2015 - 19:30
aumensch…. ich wäre fast in den film gelatscht..
danke das du das für mich gemacht hast und ich jetzt nich dafür so leiden musste wie du..
is ja schrecklichst!
33rpmPVC.de 5. April 2015 - 9:59
Sehr schade eigentlich, aber der Artikel nimmt mir schon jede Vorfreude auf den Film. Aus dem Thema hätte man doch deutlich mehr machen können. Dann kann man auch warten, bis der Film im ZDF läuft und sich dann ärgern…
Jan 6. April 2015 - 12:01
das wird dem buch nicht gerecht. wenn der gleichnamige film gemeint ist, mag das stimmen. dann aber der hinweis, daß jürgen teipel damit nichts zu tun hat.
buch: https://de.wikipedia.org/wiki/Verschwende_Deine_Jugend
film: https://de.wikipedia.org/wiki/Verschwende_deine_Jugend_(Film)
CallMeRoi 8. April 2015 - 12:24
kommt wohl darauf an wie man so einen film sieht und welche erwartungen man daran hat.ich fand ihn ziemlich witzig und tatsächlich einer der ersten punkfilme überhaupt die ich als gelungen bezeichnen würde.ja,der film ist überzeichnet:aber so extrem überzeichnet das es eigentlich jedem bewusst sein sollte,das hier nicht versucht wird punk zu erklären.genau das macht den film für mich sympathisch.es ist ausnahmsweise mal kein lehrerfilm der versucht punk in ein schema zu pressen, sondern nur die geschichte eines einzelnen erzählt.zu einer zeit als punk noch frei und intepretierbar war und nicht bis zum erbrechen ausdefiniert und mit regeln behaftet.
es gab die seite von jello biafra usw.-übrigens, „Helden“ mutet als begriff im kontext von 80er jahre punk komisch an.(no more heroes und so..)-bytheway-ich kenne einige punks der ersten und zweiten stunde die gerade jello biafra als oberlehrer nicht mögen.
es gab aber auch immer die andere seite von punk-die nihilistische,die mit drogen behaftete und ja;auch viel mit heroin und sex zu tun hatte.cave und bargeld haben zudem eine nicht unwichtige rolle in den achzigern gespielt.
ich bin selbst politisch links eingestellt,aber in zeiten von endlosgefassel in der punkszene und lauter zeigefinger-stammtischlinks-deutschpunk ala alarmsignal oder wie der ganze nettmenschen-rotz heißt,finde ich diesen film echt erfrischend.
ein film der sich mal nicht so unerträglich ernst nimmt und dabei noch lauter widersprüche aufdeckt und beschreibt-wie zum beispiel der schwule,sich selbst hassende nazikumpel im lederoutfit der begeistert „sieg heil“ brüllt,als ihnen eine oma „ihr gehört vergasst“ entgegenschleudert.
-wie die völlig verborten linken eltern die ihrer übermensch-ideologie über alles stellten.
wie die scheiss hippielehrer,die in ihrer selbstgefälligkeit absolut eklig sind.
Louis 8. April 2015 - 22:43
Ich kann dem Rezensenten nur zustimmen, der Film ist absolut entbehrlich. Nachdem ich die Filmrezensionen in taz und nd gelesen hatte, hoffte ich auf einen historisch einigermaßen authentischen Film. Doch dem wird der Film nicht ansatzweise gerecht. Er spiegelt eher eine Kleinstadtkultur als die Berliner Kultur jener Zeit wider. Die Punk-Zeit war definitiv anders, was im Film beschrieben wird, sind bestenfalls spätere Auswüchse, als Punk schon längst als tot galt und das war Ende der Siebzieger.
Werner 5. September 2015 - 6:12
Ich frage mich, ob du die Punk- Szene selbst kanntest??
Und grotesk ist nicht gleich Scheisse!
Der Film hat eine Gute Besetzung, auch wenn ich kein Fan der Ochsenknechts bin, war Wilson hier doch nicht schlecht.
Alles in allem, konnte man sich den Film gut rein tun.
Alleine der Soundtrack ist vom aller feinsten .
Wer die Berliner bzw. Punk- Szene nicht mit erlebt hat, sollte sich mit seinen Kommentaren vielleicht zurück halten.
Alleine die Headline hier, ist schon anmassend und rotzfrech
Werner 5. September 2015 - 6:17
PS
Eben der Mob. Von wegen Punk. Ich lach mich scheckig!!