In Österreich versucht eine Allianz aus entlassenen und wegen Quälens eines Gefangenen verurteilten Polizisten, einem reaktionären Gerichtsgutachter und der zu Schweinereien jeglicher Art stets bereiten österreichischen Kronen Zeitung dieser Tage, einen der größten Polizeiskandale Österreichs neu aufzurollen und zu relativieren.
Im April 2006 sollte der aus Gambia kommende Bakary J. abgeschoben werden. Der Mann wehrte sich gegen die Abschiebung und verlangte vor allem, seine Frau noch sehen oder zumindest mit ihr sprechen zu dürfen. Statt dieser simplen Bitte nachzukommen brachten Polizisten der Sondereinheit WEGA Bakary J. in eine Lagerhalle und erklärten ihm, dass sie Befehl hätten ihn umzubringen. Darauf hin verprügelten sie Bakary und fuhren ihn mit einem Auto an. Der Schubhäftling erlitt bei dem Angriff unter anderem Brüche von Jochbein, Kiefer und Augenhöhle.
Es dauerte Jahre, bis der Fall aufgeklärt wurde. Die vier beteiligten Bullen wurden zunächst lediglich zu geringen Strafen verurteilt und in den Innendienst versetzt. Erst 2012 wurden drei von ihnen schließlich aus dem Polizeidienst entlassen.
Bis heute kämpft Bakary J. um Entschädigungszahlungen. Im Zuge dieses Verfahrens wurde nun ein weiteres Gutachten eingeholt. In diesem schwafelt der Gutachter Norbert Loimer von kulturellen Unterschieden und dem islamischen Glauben von Bakary J. Von einer Traumatisierung will er nichts bemerkt haben – ganz im Gegensatz zu KollegInnen von ihm, die in den vergangenen Jahren in sechs Befunden posttraumatische Belastungsstörungen bei Bakary J. festgestellt haben. Jedes Gutachten hätte „seine eigene Tendenz“, bemerkt Loimer dazu laut dem Nachrichtenmagazin profil. Bei seinen Befragungen hat sich der Mann offenbar vor allem dafür interessiert, weshalb Bakary ursprünglich aus Gambia geflohen ist – mit seinem Auftrag, über den jetzigen Gesundheitszustand des Folteropfers zu urteilen hat das wohl genau gar nichts zu tun.
Die Folterbullen nutzen die Gunst der Stunde und wollen mit Unterstützung des abstrusen Gutachtens nun den Fall neu aufrollen. Das rassistische Boulevardblatt Kronen Zeitung hat sich der Sache bereitwillig angenommen und am Wochenende ausführlich aus einem Vernehmungsprotokoll mit einer Ärztin berichtet, die Bakary J. 2006 behandelte. Aus ihren Aussagen soll hervorgehen, dass die Verletzungen gar nicht so schlimm gewesen seien. Die Beamten wiederum behaupten, sie seien von ihren Vorgesetzten 2006 zu Geständnissen gezwungen worden. Weshalb es eine Verschwörung zwischen Polizeispitze und einem gambischen Schubhäftling gegeben haben soll, konnten bislang weder Kronen Zeitung noch die Prügelpolizisten erklären. Ebenso wenig, weshalb die drei ausgerechnet jetzt auf die Idee gekommen sind, dass sie die eigentlichen Opfer in der Affäre sind.
Was dies alles für Bakary J. bedeutet, will man sich gar nicht vorstellen. Nach lebensgefährlichen Verletzungen, die ihm von Vertretern der österreichischen Behörden zugefügt haben, folgt nun acht Jahre später eine Kampagne, durch die seine Glaubwürdigkeit zerstört und seine Ansprüche auf Entschädigung abgewehrt werden sollen. Ausgelöst wurde die Kampagne erneut von Vertretern dieses Staates, nämlich vom Gericht, das – anstatt Bakarys Anträgen auf Entschädigungszahlungen zuzustimmen – einen Gutachter bestellte, der bekanntermaßen reaktionär ist und zudem ein Naheverhältnis zum österreichischen Justizminister hat. Dieser hat Loimer laut profil als „persönlichen Berater“ engagiert.
– Von Karl Schmal