Der alevitische Arbeiterstadtteil Gazi bereitet sich auf den 1. Mai vor
Gazi kann man nicht anders als schön finden. Kleine Gassen, die Wände voller politischer Plakate und Schriftzüge, massiver Widerstand, wenn die Polizei sich zu viele Freiheiten nimmt, und jede Menge freundlicher Menschen.
Am Rand von Gazi hört Istanbul plötzlich auf, urban zu sein, man steht quasi mitten im Wald, samt Sportanlagen (bei denen man im Unterschied zu anderen Stadtteilen nicht bezahlen muss, weil die Revolutionäre, die hier stark verankert sind, das nicht tolerieren) und Grillplätzen. Genau hier kamen etwa tausend Menschen heute Vormittag zusammen, um am traditionellen 1.-Mai-Picknick einer der größten radikalen linken Gruppen, Halk Cephesi („Volksfront“) teilzunehmen. Wohl ein letztes Mal vor dem Arbeiterkampftag ist die Stimmung ausgelassen und fröhlich. Man tanzt Halai, isst leckeren Käse mit selbstgebackenem Brot (Danke nochmal an die Genossen, war wirklich lecker!), singt und genießt das zwar schwüle, aber doch erträgliche Wetter.
In wenigen Tagen wird es weniger gemütlich. Die türkischen Behörden haben bereits angekündigt, dass hart gegen jene vorgegangen wird, die sich nicht an das Verbot, auf dem Taksim zu demonstrieren, halten. Das aber werden Zehntausende Menschen sein, die fest entschlossen sind, sich den traditionellen Ort der 1.-Mai-Kundgebungen, der durch die Gezi-Proteste vom vergangenen Jahr noch bedeutsamer geworden ist, nicht nehmen zu lassen. Schon jetzt karren die Bullen täglich Gitter richtung Taksim, der Platz ist voll mit Zivilpolizei.
Am ersten Mai selbst wird die Stadt lahmgelegt werden. Busse, Metro, Fähren – nichts geht mehr, nur weil man versucht, die Menschen vom Taksim fernzuhalten. Allgemein werden schwere Auseinandersetzungen erwartet, die sich wohl zu Beginn auf Tarlabasi, Besiktas und Sisli fokussieren werden. Wie die Schlacht um den Taksim ausgehen wird, ist nicht vorherzusagen. 40 000 Beamte werden im Einsatz sein, Dutzende Wasserwerfer. Erdogan spielt erneut mit Menschenleben.