In Brüssel hat diese Woche der EU-Afrika-Gipfel stattgefunden. Das Treffen dient den europäischen Eliten dazu, sich als Menschenfreunde zu präsentieren, deren gesamtes Wirken keinem anderen Ziel diene als das Leben aller BewohnerInnen dieser Erde zu verbessern. Zu diesem Zweck selektiert man schon mal in gute und schlechte AfrikanerInnen und bestimmt, wer zu dem Gipfel anreisen darf und wer unerwünscht ist.
Dies hat Südafrikas Präsidenten Jacob Zuma dazu veranlasst, dem Gipfel fernzubleiben. Die Zeiten, in denen AfrikanerInnen gesagt wird, wer wohin kommen darf und wer nicht, sollten langsam vorbei sein, so Zuma.
Diese Zeiten sollten vorbei sein, sind es aber offenbar noch lange nicht. Denn im Grunde geht es bei dem EU-Afrika-Gipfel um nichts anderes, als dass europäische PolitikerInnen ihren afrikanischen KollegInnen zeigen wollen, wo es langgeht. Was immer auf Pressekonferenzen dieser Tage von „Partnerschaft auf Augenhöhe“ (José Manuel Barroso) und „Allianzen“ zwischen EU und Afrika (François Hollande) gefaselt wurde, im Kern geht es um den Ausbau des politischen und militärischen Einflusses der EU in Afrika und um das Aufschließen der afrikanischen Märkte.
Letzteres soll über die „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ (EPAs) gelingen, mit denen im Zuge der Entkolonisierung etablierte Sonderbeziehungen zwischen afrikanischen, karibischen und pazifischen Ländern und der europäischen Gemeinschaft endlich beseitigt werden sollen. Den ehemaligen Kolonien wurde bislang etwa unter bestimmten Voraussetzungen ein etwas leichterer Zugang für deren Waren auf den europäischen Märkten zugestanden. Das soll nun revidiert und durch Freihandelszonen zwischen der EU und afrikanischen Ländern ersetzt werden. ExpertInnen gehen davon aus, dass dies katastrophale Auswirkungen auf lokale afrikanische ProduzentInnen haben würde, da diese mit den Produkten europäischer Konzerne in der Regel nicht konkurrieren können.
Aber die Zeiten, in denen Europa den AfrikanerInnen diktierte wo es langgeht, gehen nunmal unweigerlich zu Ende. Ein wesentlicher Faktor dafür ist derzeit das starke wirtschaftliche Engagement Chinas auf dem Kontinent, das dazu führt, das sich afrikanische Länder immer häufiger ihre GeschäftspartnerInnen aussuchen können. Dies führt zu einiger Nervosität bei den europäischen GeschäftemacherInnen. Denn China bietet nun mal in der Regel bessere und fairere Konditionen als die ehemaligen Kolonialmächte, die es bis heute nicht geschafft haben, ihren Überlegenheitsdünkel abzulegen. So haben etwa selbst jene Stellungnahmen europäischer PolitikerInnen, welche die realen Zusammenhänge verschleiern sollen, noch diesen paternalistischen Touch, der so gar nichts mit gleicher „Augenhöhe“ zu tun hat. Frankreichs Kolonialkriege in Mali und der Zentralafrikanischen Republik klingen noch in der Neusprech-Variante „Verantwortung übernehmen“ (Angela Merkel) so, als könnten die AfrikanerInnen nicht selbst auf sich aufpassen.
Andere reden da lieber gleich Klartext. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien begleitend zum ersten Tag des Gipfels ein gemeinsamer Gastbeitrag der deutschen Kriegsministerin Ursula von der Leyen und ihres französischen Kollgen Jean-Yves Le Drian. Die beiden halten sich gar nicht erst mit Menschrechts-Phrasen und Entwicklungshilfe-Gequatsche auf, sondern sprechen klar aus, was die EU-Eliten antreibt: „Es geht um die Versorgung mit strategisch wichtigen Gütern, strategische Handelsinteressen und auch um die Sicherheit europäischer Staatsbürger in Afrika.“ Dass „militärische Mittel“ dabei auch weiterhin eine Rolle spielen werden, ist für die beiden klar.
Trotz ihrer Offenheit vergessen von der Leyen und Le Drian nicht, EU-Kriegseinsätze als noble Geste darzustellen. So sei es das „das vorrangige Ziel, afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme zu finden. Kern unseres Handelns ist, unseren afrikanischen Partnern zu ermöglichen, dies selbst zu erreichen. Dabei kommt denjenigen afrikanischen Staaten eine Schlüsselrolle zu, die in der Lage sind, auch in ihre Regionen hinein stabilisierend zu wirken.“ Was sich für den Rest der Welt aus EU-Sicht bewährt hat – nämlich die Militarisierung von Konflikten, Einmischung und das Recht des Stärkeren als grundlegende politische Prinzipien – wollen die führenden EU-Staaten also auch ihren afrikanischen „Partnern“ beibringen – zu eigenem Nutz und Frommen: „Unterstützen wir verstärkt diese Staaten, dann hilft das neue Krisen zu verhindern und damit unter Umständen weitere militärische Einsätze für unsere Länder zu vermeiden.“ Denn Menschenrechtskriege zu führen, ist die Bürde der EU, die „White Man‘s Burden“ des 21. Jahrhunderts. Und genau deshalb schickt die EU erstmal auch 1.000 weitere Soldaten in die Zentralafrikanische Republik.
– Von Karl Schmal