In Österreich passieren seltsame Dinge dieser Tage, deren Zusammenhänge sich erst allmählich herauskristallisieren werden (oder auch nicht). Deshalb hier nur einige Notizen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn seltsame Dinge passieren hierzulande wahrlich viele.
Da ist zum einen die unendliche Geschichte der Hypo-Alpe-Adria-Bank. Die 2009 „notverstaatlichte“ Bank frisst sich ins staatliche Budget und wird möglicherweise auf Jahre hinaus Kürzungen und „Sparpakete“ nach sich ziehen. Um welche Summen es dabei geht ist nach wie vor genauso unklar wie die Frage ungeklärt ist, an wen eigentlich die ganze Kohle fließt, die der Staat da dauernd überweist. Bis heute haben die ÖsterreicherInnen erstaunlich wenig Infos darüber erhalten, wer die Gläubiger der Pleitebank sind. Von Versicherungen, Pensionsfonds und natürlich anderen Banken als Inhaber von Hypo-Anleihen ist die Rede. Einige Namen werden hin und wieder genannt, aber so ganz genau weiß eigentlich niemand, wer durch die staatlichen „Rettungs“aktionen schadlos gehalten wird bzw. profitiert.
Diese Tatsache und jene, dass die sozialdemokratisch-konservative Koalitionsregierung an Aufklärung nicht interessiert ist, lässt natürlich den Verdacht aufkommen, dass im Hintergrund Weichen gestellt werden, die auch anders gestellt werden könnten. Oder anders formuliert: wenn als einer der heimischen Gläubiger immer wieder auch die Raiffeisen-Gruppe gennant wird und wenn man sich andererseits die unauflöslichen Verflechtungen einer der beiden Regierungsparteien mit Raiffeisen in Erinnerung ruft, dann sind vorsichtige Zweifel daran angebracht, dass diese Partei sich ausschließlich den SteuerzahlerInnen gegenüber verpflichtet fühlt.
Wer trotzdem noch nicht kapiert hat, welche Funktion der Staat im Kapitalismus hat, der bekommt dieser Tage in Österreich ein weiteres Lehrbuchbeispiel serviert. Die Baumarkt-Kette Baumax ist angeschlagen. Sie hat sich – wie übrigens auch die Hypo – bei ihren Osteuropa-Geschäften verschätzt und ist hochverschuldet. Nun stellt sich heraus, dass dies wiederum ein Problem fürs österreichische Budget darstellt, weil der Staat Haftungen für den Konzern im Umfang von mehr als 70 Millionen Euro übernommen hat. Das wäre jetzt nicht so wahnsinnig viel (die ÖsterreicherInnen sind durch die Hypo bereits an ganz andere Summen gewöhnt), der Haken ist aber, dass die Öffentlichkeit gar nicht weiß, was da noch alles kommt. 2009 hat die damalige Regierung für eine öffentlich nicht bekannte Anzahl von Unternehmen Haftungen in öffentlich nicht bekannter Höhe übernommen – in den Medien ist derzeit von etwa 1,3 Milliarden die Rede.
Gedacht war das ganze als „Beruhigungsmaßnahme“ den Banken gegenüber, damit diese den Unternehmen Kredite zukommen lassen und die Wirtschaft brummt. Und wenn die Wirtschaft brummt, werden die Haftungen eh nicht schlagend, mögen sich die damaligen politischen Verantwortlichen gedacht haben. Zum ersten Mal schlagend wurden die Haftungen dann aber bei der Pleite des zweitgrößten österreichischen Baukonzerns, der Alpine, im vergangenen Sommer. Seit damals versuchen mehrere Banken, sich per Klage gegen die Republik schadlos zu halten.
Das Erstaunlichste an all diesen Entwicklungen ist, wie die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP damit umgehen. Als hätte die rechtsradikale FPÖ das Drehbuch für das Agieren der Koalition geschrieben, verweigern Bundes- und Vizekanzler umfassende Information und Aufklärung und treiben den Rechten die WählerInnen zu. Nach aktuellen Umfragen liegt die FPÖ auf dem ersten Platz in der Gunst der WählerInnen.
Davon fühlen sich nicht nur die Parlamentsnazis beflügelt, sondern auch deren im Verborgenen agierende Fußtruppen. Seit einigen Monaten agieren Neonazis immer frecher in Österreich. In Salzburg tauchen alle paar Tage großflächige Nazi-Schmierereien auf. Vor einigen Tagen berichtete zudem eine Bloggerin und Autorin von einem mutmaßlichen Anschlag mit einer Schusswaffe. Sollte sich die Vermutung der Betroffenen bewahrheiten, dass der Vorfall in Zusammenhang mit der Veröffentlichung eines von ihr mitverfassten Buches steht, dann wäre dies bereits die zweite physische Attacke auf AntifaschistInnen in Österreich binnen weniger Monate. Erst im vergangenen Herbst hatten Neonazis in Wien das autonome Ernst-Kirchweger-Haus überfallen, wo gerade eine Sitzung der Kommunistischen Gewerkschaftsfraktion KOMintern stattgefunden hatte. Dank der entschlossenen Reaktion der dort Versammelten konnten die Nazis in die Flucht geschlagen werden. Wenn die österreichische Regierung ihre bankenfreundliche Budgetkürzungspolitik weiterführt und keine Strategie gegen steigende Arbeitslosigkeit und den Vormarsch der Rechten findet, so ist zu befürchten, dass AntifaschistInnen hierzulande wohl künftig öfter entschlossene Reaktionen zeigen müssen.
– Von Karl Schmal