Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, wurde einer Frau in Bayern ihr Konto bei der Commerzbank gekündigt. Die Bank verweist auf den Bevollmächtigten des Kontos, den Sohn der Betroffenen, beruft sich auf ihre Geschäftsbedingungen und sagt, dass sie mit bestimmten „Personengruppen“ keine Geschäfte mache. Personengruppen? Geschäftsbedingungen? Klingt alles sehr mysteriös. Etwas klarer wird die Sache, wenn man weiß, dass besagter Sohn Kerem Schamberger heißt und Sprecher der Deutschen Kommunistischen Partei in München ist. Aber was hat der Mann eigentlich gegen Banken?
LOWER CLASS MAGAZINE (LCM): Musst du jetzt die Bankgeschäfte für deine Mutter erledigen?
KEREM: Nein, muss ich nicht. Ich habe nie mit dem Konto auf der Commerzbank zu tun gehabt, auch wenn ich eine Vollmacht hatte.
LCM: Habt ihr irgendeine Stellungnahme von der Bank bekommen außer Hinweisen auf „Geschäftsbedingungen“ oder ähnliche Formalitäten?
KEREM: Nein überhaupt nichts. Nur am Telefon hat mir die Mitarbeiterin gesagt, dass ich zu einer Personengruppe gehören würde, mit denen die Commerzbank keine Geschäfte machen würde. Witzig, denn ich war ja nur Bevollmächtigter und kein Kunde. Kundin war meine Mutter – bis zum 8. Januar…
LCM: „Personengruppe“ klingt echt interessant. Wie ist deine Einschätzung: unterhält die Commerzbank eine Abteilung für Überprüfung der Kundengesinnung? Ist gar der Verfassungsschutz im Spiel? Oder hat nur ein Mitarbeiter zufällig irgendeinen Beitrag von dir gelesen?
KEREM: Hmm, das kann alles drei sein. Die Beraterin berief sich im Telefonat tatsächlich auf eine interne Abteilung. Aber auch der VS spitzelt mir hinterher, mein Name ist seit drei Jahren regelmäßig im Verfassungsschutzbericht genannt. Aber es kann natürlich sein, dass dieses Video einer Rede von mir zufälligerweise von einem Mitarbeiter gesehen wurde.
LCM: Die Commerzbank ist ja bekannt für ihr „politisches Engagement“ – von der Unterstützung der NSDAP bis zum Celler Trialog. Müssen wir uns darauf einstellen, dass Banken künftig auch einen Kleinkrieg gegen unliebsame Äußerungen führen? Ist das Teil der Krisenbewältigungsstrategie seitens der Banken?
KEREM: Das kann ich mir gut vorstellen, ich habe mittlerweile einige Reaktionen bekommen, die zeigen, dass ich nicht der einzige Fall bin. Es könnte Listen geben mit politisch unliebsamen Personen, die man nicht als Kunden aufnimmt. Ich hoffe natürlich, dass mit der Berichterstattung über meinen Fall die momentan versuchte Charme-Offensive der Commerzbank einen kleinen Dämpfer bekommt und die Leute merken: Moment mal, diese Bank ist wirklich Scheiße.
Meine Kritik richtet sich aber, das möchte ich hier betonen, generell gegen das Bankensystem, ja noch mehr, gegen die kapitalistische Wirtschaftsweise an sich. Ich bin ja nicht umsonst Kommunist. Es ist eben nicht nur eine Banken- sondern eine Systemkritik. Dass die Commerzbank da jetzt im Mittelpunkt steht, hat sie sich selbst zuzuschreiben. Aber die Kritik betrifft eben generell das System, und wieso nicht bei den Banken mit der Vergesellschaftung anfangen, diese sind schließich ein zentraler Machtfaktor in diesem System.
LCM: Und im Zuge der „Bankenrettungen“ auch ein Faktor, der ganz unmittelbar die staatlichen Budgets betrifft. Wie sehen deine Vorschläge aus? Wie müsste kurz- bis mittelfristig mit den Banken umgegangen werden?
KEREM: Ich bin für die Vergesellschaftung der Banken UND Konzerne. Damit meine ich nicht Verstaatlichung, sondern die Kontrolle den Privateignern zu entziehen und sie unter die Aufsicht gesellschaftlich relevanter Gruppen zu stellen; also zum Beispiel der Gewerkschaften, dann natürlich der Beschäftigten, Wissenschaftsräten etc. Beim Bankensystem speziell ist klar, dass man sich einen Großteil der Banken sparen und ihre „Aufgaben“bereiche auch drastisch zurückfahren kann, also keine Spekulation mehr, nur noch Kreditvergabe etc. Das sind natürlich erste Schritte hin zu einer solidarischen-sozialistischen Gesellschaft, aber es sind Schritte die getan werden müssen. Wie das Bankensystem konkret im Sozialismus aussehen wird ist eine andere Sache.