Terrorverfahren gegen unseren Redakteur Peter Schaber: Bundesregierung intensiviert Kriminalisierung der kurdischen Bewegung und ihrer Unterstützer*innen
Am 8. Dezember erreichte unseren Redakteur Peter Schaber ein Brief des Berliner Landeskriminalamts (LKA). Die Vorladung weist Schaber als Beschuldigten in einem Verfahren nach §129b aus – „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland“. Tatort soll Syrien sein, Tatzeitpunkt: Februar bis Ende November 2017. Die terroristische Vereinigung, so heißt es in dem Schriftstück, sind die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel, YPG).
Es ist nicht das erste Mal, dass die deutschen Behörden dazu ansetzen, einen Terrorprozess gegen einen Internationalisten wegen YPG-Unterstützung zu führen. Dass es dennoch bislang noch nicht zu einem Prozess kam, hat gute Gründe. Zwar versuchen die Behörden alles, um die kurdische Bewegung zu sabotieren und zu kriminalisieren, wo es geht. Sie verbieten Fahnen auf Demonstrationen, zensieren und beschlagnahmen Bücher, verteilen Anzeigen wegen Social-Media-Postings und sperren regelmäßig kurdische Aktivist*innen wegen vermeintlicher Leitungstätigkeiten für die seit den 1990er-Jahren verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) weg.
Direkt gegen YPG-Unterstützer*innen führte man jedoch bislang noch keinen Terrorprozess. Denn zum einen ist dessen Ausgang vor Gericht unklar – die Bundesregierung müsste schon sehr willfähige Richter*innen finden, um ihn durchzuboxen. Bis heute finden sich die YPG weder auf der EU-, noch der deutschen Liste von „terroristischen“ Organisationen.
Zum anderen aber genießen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten auch in Teilen der hiesigen Bevölkerung großes Ansehen: Sie haben den Großteil des Kampfes gegen den „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien gefochten – und dabei tausende Gefallene zu verzeichnen. Und unter ihrem Schutz wird bis heute in Syrien versucht, ein basisdemokratisches, kommunales, ökologisch nachhaltiges und geschlechtergerechtes Gesellschaftsmodell umzusetzen, in dem Menschen aller Religionen und Ethnien gleichberechtigt zusammenleben können.
Was an den Volksverteidigungseinheiten YPG und den Frauenverteidigungseinheiten YPJ „terroristisch“ sein soll, erschließt sich keinem vernünftigen Menschen. Sie bestehen aus Männern und Frauen Nordsyriens, die sich gegen dschihadistische Milizen und die völkerrechtswidrig einmarschierte türkische Armee zur Wehr setzen. Ihr Ziel war es nie, die Bevölkerung zu „terrorisieren“, sondern vielmehr sie für ein gesamtsyrisches Demokratieprojekt zu gewinnen.
Weltweit – leider nur als kurzer „Hype“ – gefeiert wurden die Kurd*innen Syriens, als sie 2014 die nordsyrische Stadt Kobanê in einer brutalen Schlacht gegen den Islamischen Staat verteidigten. Und als sie im Jahr 2015 zusammen mit der Guerilla der Arbeiterpartei Kurdistans einen Korridor in das nordirakische Schengal-Gebirge frei kämpften, um die Minderheit der Ezîd*innen vor einem Genozid durch den IS zu retten – während die Welt tatenlos zusah.
Was stört die Bundesregierung daran? Es sind vor allem zwei Gründe, warum nun zu einem weiteren Schlag gegen YPG-Unterstützer*innen ausgeholt wird. Einmal will man dem befreundeten türkischen Regime des Autokraten Recep Tayyip Erdogan ein weiteres „Geschenk“ machen. Berlin verfolgte türkische und kurdische Oppositionelle im Exil immer stärker, als andere europäische Länder. Nun soll es eben auch Internationalist*innen treffen. Schon jetzt bedeutet das für unseren Kolleg*innen Lebensgefahr. Die Entführungs- und Folterprogramme durch den türkischen Geheimdienst sind bekannt, das „Verschwindenlassen“ eine gängige Praxis. Und die deutschen Geheimdienste geben ständig Daten an dieses Regime weiter.
Wichtiger aber noch als die lukrativen Beziehungen zu Ankara ist etwas anderes: YPG und YPJ sind mehr als eine bewaffnete Miliz in Syrien. Sie sind in erster Linie politische Formationen mit einer linken, emanzipatorischen und in Teilen sozialistischen Weltanschauung. Die Bundesregierung hat sicherlich keine Angst vor der bescheidenen Bewaffnung dieser Einheiten – aber sie fürchtet ihre Ideen. Die Idee von einer anderen Demokratie, die nicht bloß ein Spektakel zur Verwaltung des Kapitalismus ist, die Idee von Selbstbestimmung und Selbstverwaltung der Gesellschaft von „unten“.
Der nun geführte Angriff wird eine öffentliche Auseinandersetzung um diese Ideen und diese politische Praxis mit sich bringen. Insofern ist er eine gute Gelegenheit, um auf die mörderische Politik des deutschen Staates hinzuweisen: Auf die Waffenexporte an Milizen und Autokratien im Mittleren Osten; und auf die Verfolgung linker Oppositioneller in Deutschland. Am Ende soll die Bevölkerung die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, welche Seite hier eine „terroristische Vereinigung“ ist.
Um im Falle eines Prozesses diese Auseinandersetzung zu fördern, hat sich ein Solidaritätskreis in Berlin gebildet, ein Spendenkonto bei der Roten Hilfe wurde eingerichtet. Auf der Homepage des Kreises könnt Ihr die Prozessführung unterstützen.
# Redaktion des lower class magazine