Friedrich Merz und der Blackrock-Kapitalismus

6. Dezember 2018

Friedrich Merz will’s wissen: Der frühere Fraktionschef der Union im Bundestag will zurück auf die große politische Bühne. Die vergangenen Jahre war er anderweitig beschäftigt: Im Jahr 2016 wurde er zum Vorsitzenden des Vorstands von Blackrock Deutschland ernannt. Der Multimillionär Merz ist der Dienstbote der schon seit einem Jahrzehnt in Deutschland und in der EU heranwachsenden Macht von Blackrock und Co. – sie hat sich während der Kanzlerschaft von Angela Merkel still und leise ausbreiten können. Doch was macht Blackrock eigentlich?

Blackrock ist kein harmloser „Vermögensverwalter“, wie von Merz und den Leitmedien gerne dargestellt. Blackrock ist Lobbyist der Superreichen, größter Insider der westlichen Wirtschaft, Verkäufer krisenverursachender Finanzprodukte, größter Organisator von Briefkastenfirmen, Lobbyist für die Privatisierung von Renten und Mietwohnungen und Finanzier von politischen Einfluss-Netzwerken.

Und Blackrock ist die größte Schattenbank der Welt. Schattenbanken gelten rechtlich nicht als Banken und unterliegen nicht der staatlichen Bankenaufsicht. Die Schattenbanken, zu denen neben Blackrock auch Vanguard und State Street gehören, agieren somit in einer rechtlichen Grauzone.

Blackrock ist der größte Kapitalorganisator der westlichen Welt. Das eingesetzte Kapital von 6,4 Billionen Dollar beträgt das Doppelte des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands, immerhin die größte europäische Volkswirtschaft. Doch was macht diese Schattenbank eigentlich? Blackrock-Gründer Lawrence Fink entwickelte an der Wall Street das neue Finanzprodukt, das später weite Verbreitung fand und zur Finanzkrise 2008 führte: Immobilien- und andere langlaufende Kredite in größerer Zahl bündeln, zu einem Wertpapier machen und weiterverkaufen.

Blackrock immer mitten drin

Gegenwärtig ist Blackrock über Aktienanteile Miteigentümer von knapp 18.000 Unternehmen. Dazu gehören 438 der 500 größten US-Konzerne, auch die Börsengiganten Amazon, Google, Facebook, Apple und Microsoft, die meisten Banken der Wall Street und Westeuropas, die wichtigsten westlichen Rüstungs- und Chemiekonzerne wie Lockheed, BAE-Systems und Rheinmetall, Fluglinien wie Lufthansa und RyanAir, die Konzerne der fossilen Energie wie RWE, Autokonzerne wie General Motors und Daimler, die größten privaten Gefängnisbetreiber, in Deutschland alle DAX-Konzerne und Hunderte weitere Unternehmen.

Das Geschäftsmodell: Die Schattenbank wartet nicht wie die Quandts bei BMW auf die jährliche Dividende. Für Blackrock sind Aktien die Basis für ganz andere Geschäfte. Dazu gehört das Verleihen von Geld im großen Stil gegen Gebühr an Banken und andere Großkunden. Damit wurden etwa die Cum-Ex-Betrügereien ermöglicht.

Blackrock arbeitet mit dem Kapital von Multimilliardären und Multimillionären. Aktive Unternehmer, Unternehmerclans, Topmanager, auch Unternehmensstiftungen, Pensionsfonds und Versicherungen gehören dazu. Sie geben die 10 oder 50 oder auch mal 100 Millionen Dollar oder Euro oder Schweizer Franken oder Yen an gerade flüssigem Kapital an Blackrock und Co. – ihre Erwartung: Macht was draus, und zwar höheren Gewinn als in meiner bisherigen Bank oder in meinem eigenen Unternehmen!

Der größte Organisator von Briefkastenfirmen

Für dieses Ziel agiert Blackrock auch als der weltweit größte Organisator der sogenannten Steuervermeidung. Die 7,86 Prozent der E.ON-Aktien versteckt Blackrock in 152 Blackrock-Tochter-Briefkastenfirmen. Sie sind über ein Dutzend Finanzoasen verteilt. Die zehn Prozent Aktien am größten Wohnungskonzern in Deutschland, Vonovia mit 400.000 Wohnungen, sind auf 220 Briefkastenfirmen verteilt.

Da ist es auch nicht verwunderlich, dass Blackrock extrem die Öffentlichkeit der Aktionärsversammlungen scheut. „Wir nehmen Einfluss im Hintergrund“, verriet 2015 Deutschland-Chef Christian Staub. „Die lassen uns antanzen“, gestand Johannes Teyssen, Vorstandschef des Energiekonzerns E.ON.

Kaufen und verkaufen im Tausendstel-Sekundentakt

Blackrock ist bei Spekulationen gegenüber Konkurrenten im Vorteil, weil die größte Schattenbank praktischerweise auch die größte Finanzdaten-Verarbeitungsanlage der westlichen Wirtschaft betreibt: Aladdin. Da werden im Tausendstel-Sekundenbereich alle Aktienwerte in allen Börsen der Welt untereinander abgeglichen. Durch roboterisierte millionenfache Käufe und Verkäufe werden Millionengewinne generiert, selbst wenn die Aktienwerte sich nur zwei Stellen hinter dem Komma unterscheiden.

Blackrock ist dabei ein wahrer Kosmopolit und Top-Netzwerker: Die Schattenbank betätigt sich in allen wichtigen Staaten und bei internationalen Institutionen aufwendig als Lobbyist. Der Kapitalorganisator holt renommierte Ex-Politiker und Ex-Banker in seine Gremien.

Beste Netze und Lobbyarbeit

Blackrock baut politische Einfluss-Netzwerke in allen wichtigen Staaten aus. Blackrock erhielt von Obama den Auftrag für die Koordination der Bankenrettung. 2013 berief Boss Fink die Stabschefin der damaligen Außenministerin Hillary Clinton in den Blackrock-Aufsichtsrat, Fink galt als möglicher Finanzminister der Präsidentschaftskandidatin Clinton. Blackrock holte sich Mitglieder der Obama-Regierung in das Management. Nach anfänglicher Kritik an Trump lobte Fink: „Trump ist gut für die US-Wirtschaft und auch für die globale Wirtschaft.“

In Europa holte Fink als Einflussagenten etwa den Ex-Präsidenten der Schweizer Zentralbank, Philipp Hildebrand, in den globalen Aufsichtsrat. Der britische Ex-Finanzminister der Tories, George Osborne, bekommt jährlich 750.000 Euro für einen Tag Lobbyarbeit pro Woche – er kämpft für Steuersenkungen zugunsten von Blackrock-Finanzprodukten.

Für Vorstandsfunktionen in Deutschland greift Blackrock vor allem auf Führungspersonal regierungsnaher Unternehmen zurück. Christian Staub von Allianz/PIMCO wurde Deutschland-Vorstandschef von Blackrock, gleichzeitig war er verantwortlich für die Schweiz, Österreich und Osteuropa. Ihm folgte 2018 Dirk Schmitz von der Deutschen Bank. Ex-Deutsche Bank-Chef Jürgen Fitschen wurde 2018 Aufsichtsratschef des von Blackrock und Co. beherrschten Vonovia-Konzerns. 2016 wurde dann eben Friedrich Merz zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates von Blackrock Deutschland ernannt.

Die Blackrock-Vertretung in Brüssel verzehnfachte seit 2011 bis 2018 ihre Lobby-Ausgaben von jährlich 150.000 Euro auf 1,5 Millionen Euro. Die Brüsseler Blackrock-Lobbyisten unter Führung des britischen Ex-Finanzministers Osborne haben erreicht, dass die Europäische Kommission 2018 eine Richtlinie zur privaten Rentenversicherung vorgelegt hat.

Mietexplosion in deutschen Städten

Der Blackrock-Kapitalismus ist kein abstraktes Phänomen. Das zeigt das Wirken Blackrocks auf dem Wohnungsmarkt. Die Schattenbanken Blackrock und Co. sind inzwischen die größten Eigentümer von privaten Wohnungskonzernen in Deutschland: LEG in Nordrhein-Westfalen mit 130.000 Mietwohnungen, Deutsche Wohnen mit 163.000, Vonovia mit 400.000. In allen dreien ist Blackrock der Hauptaktionär.

Vonovia und Co. setzen auf „Schwarmstädte“: Sie kaufen, betreiben, modernisieren und wandeln Wohnungen in Eigentumswohnungen um, und zwar dort, wo der Zuzug und die Wohnungsnot am größten sind. Vonovia erhöhte den Gewinn für seine Aktionäre für das Jahr 2017 um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. So befördert Blackrock die Mietpreisexplosion in Deutschland und die Verarmung und Vertreibung vieler bisheriger Mieter und Familien.

Private Rente und niedrige Löhne

Auch beim Thema Rente wird’s konkret. Weltweit wirbt Blackrock: „Die gesetzliche Rente reicht nicht mehr aus.“ Sie müsse durch privat gekaufte Aktien aufgestockt werden. Dafür stellt Blackrock auf seiner Website einen Sparplan-Rechner bereit, in dem jeder und jede ausrechnen kann: Wie viel Aktien muss ich monatlich kaufen? Lobbyist Merz tritt seit langem dafür ein, auch dass ein solcher Aktienkauf steuerlich aus der Staatskasse begünstigt werden soll. Als hätten gerade die Beschäftigten mit niedrigem Einkommen noch Geld, um sich Aktien zu kaufen!

Blackrock ist Großaktionär etwa des Weltkonzerns Amazon, der weltweit besonders aggressiv Gewerkschafts-, Arbeits- und Menschenrechte missachtet. In Deutschland weigert sich Amazon seit Jahren, einen Tarifvertrag mit der Gewerkschaft verdi abzuschließen. Ähnlich organisiert RyanAir Niedriglöhnerei für Kabinenpersonal und auch für Piloten, die teilweise als Scheinselbständige und Leiharbeiter eingesetzt werden. Auch der Ausbau von globalen Zulieferketten etwa deutscher Konzerne über Niedriglohnstaaten der EU-Peripherie und Asiens dient organisierter Niedriglöhnerei.

[sg_popup id=”5″ event=”onload”][/sg_popup]

# Werner Rügemer

Titelbild: Harald Dettenborn/CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

 

Ausführlich mit Quellenangaben:
Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Gemeinverständlicher Abriss zum Aufstieg der neuen Finanzakteure. Köln 2018, Papyrossa-Verlag, 357 Seiten, 19,90 Euro

Schreibe einen Kommentar Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ein Kommentar über “Friedrich Merz und der Blackrock-Kapitalismus”

    Adolf Holland-Cunz 9. Dezember 2018 - 10:33

    Am Tage der Wahl zum CDU-Vorsitz entdeckte ich diesen Artikel. Ich habe ihn gleich einigen CDU-Delegierten von Thüringen übersandt.
    Es ist schon schlimm, dass ein Mensch, welcher die Allgemeinheit so schädigt, wie Friedrich Merz über Blak Rock, so hochgejubelt wird und als Wirtschaftsfachmann gerne in diesem Amt gesehen wäre. Das ist nicht meine Welt.