Überzeugende Gründe für einen Frieden mit den Verhältnissen gibt es nicht – Peter Schaber hat sich mit Klaus Viehmann über Klassenkampf, Stadtguerilla und Antiimperialismus unterhalten
#Klaus Viehmann war Lehrling in einem Berliner Buchladenkollektiv, Aktivist der Stadtguerilla-Gruppe „Bewegung 2. Juni“ und von 1978 bis 1993 im Knast.
Wenn man auf deine politische Biographie zurückschaut, ist es schwer, sich überhaupt zu entscheiden, mit welchem Thema man ein Interview wie dieses überhaupt anfangen soll. Vielleicht ist ein Zitat, das du mal einem Artikel vorangestellt hast, ein guter Einstieg. Da sagt Horkheimer sinngemäß, dass die Karriere eines Revolutionärs nichts mit Banketten und Ehrentiteln zu tun hat, sondern mit viel Leid. Wie bleibt man da gerade? Was motiviert einen, dann doch noch immer zu sagen: Nee, ich mach weiter, ich kann meinen Frieden mit diesen Verhältnissen nicht machen?
Na ja, im Vergleich zu den Antifaschist_innen während des NS, die Horkheimer ansprach, oder Revolutionär_innen im Trikont habe ich wie die allermeisten Metropolenlinken eine relativ luxuriöse Biografie und für Leute aus meiner Generation auch keine völlig exotische. Was die Motivation angeht: Mir fallen einfach keine überzeugenden Gründe ein, Frieden zu schließen mit den Verhältnissen. Dafür müsstest du den alten Anspruch, eine Einheit von Denken und Handeln, von Überzeugungen und Konsequenzen zu leben, aufgeben und die Augen vor dem verschließen, was weltweit geschieht. Das können ja leider viele, aber wenn du auch nur in ein paar sozialen Verhältnissen bewusst lebst und nur eine Spur Gerechtigkeitsempfinden hast – dann fragst du dich doch eher, ob du genug tust oder getan hast, oder? Eine bessere Gesellschaft ist immer noch so wünschenswert wie global zwingend erforderlich. Und die Gegenseite wird die sicher nicht von sich aus aufbauen. (mehr …)