Drei Schweine und die Friedel

4. Juli 2017

Ein Bericht von der Zwangsräumung des Kiezladens Friedelstraße54

Bullengewalt gegen alle Anwesenden, dutzende Verletzte, mehrere Festnahmen, gezielte Fake-News der Berliner Polizei und die Zerstörung eines weiteren Kiezprojekts im Neuköllner Norden: Das alles und noch viel mehr bei einer Zwangsräumung unter rot rot grün.
Das erste Schwein: Der Gerichtsvollzieher Nun war es soweit. Der Gerichtsvollzieher kündigte sich für den 29.06.2017 09:00 morgens an um den Kiezladen Friedelstraße 54 zwangszuräumen, um die Räume anschließend dem rechtmäßigen Besitzer, eine Luxemburger Briefkastenfirma namens „Pinehill“, zu übergeben. Nichts neues in Neukölln, wo Kapitalinteressen alteingesessene MieterInnen verdrängen, Yuppie-Neubauten an allen Ecken entstehen, Hipster-Cafes die Straßen säumen und der Ghetto-Tourismus boomt. Das Schwein von Gerichtsvollzieher namens Frank Bossin verdeutlichte seine Klassenzugehörigkeit bereits in einem Interview mit Spiegel-Online 2008 mit seinem Blick auf die Menschen in Neukölln: “Die sitzen den ganzen Tag vorm Fernseher, gucken Gameshows und leben von Hartz IV“.

Das zweite Schwein: Die Berliner Polizei Der konkrete Widerstand gegen die Zwangsräumung formierte sich während der Videokundgebung am Vorabend. Bis zu 400 Menschen saßen vor der Friedel54 und schauten gemeinsam einen Film. In der Nähe der Friedelstreaße waren lediglich zwei Wannen abgeparkt. Die Bullenanzahl war überschaubar. Die Bullen die permanent durch die Kundgebung liefen, mal zum Kontaktsuchen, mal zum schnüffeln, mal zum provozieren brauchten sich jedoch keine wirklichen Sorgen zu machen, da leider keine anwesende Gruppe sie davon abhielt und in ihre Schranken wies. Die Kundgebung wurde mehrere Male bis schließlich 04:00 morgens verlängert. Gegen 04:20 rollten die ersten Schweine vor die Friedel. Ein bisschen rumposen ein bisschen Mackertum, soweit nichts neues. Um kurz vor fünf begannen die Bullen dann, die Eingänge zur Friedelstraße mit Wannen zuzuparken. Um 05:07 Uhr erfolgte die erste Durchsage an die Sitzblockade vor dem Laden, um 05:20 Uhr die dritte. Die knapp 150 Menschen in der Blockade blieben größtenteils vor Ort und ließen sich von der aufgefahrenen Drohkulisse nicht beirren. Mit der Räumung der Vordereingangsblockade ließen sich die Bullen weiterhin Zeit. Stattdessen versuchten sie sich über den Hinterhof des Hauses Friedelstraße/Weserstraße sich Zugang zum Innenhof der Friedel 54 zu verschaffen. Um kurz vor sechs Uhr morgens erreichte die Menschen draußen die Nachricht, dass auf linksunten Fotos und eine Nachricht aus dem Kiezladen aufgetaucht sind. Auf den Fotos waren, an selbstgebauten Barrikaden festgekettete und einbetonierte, Menschen zu sehen. Parallel dazu erhielten wir die Nachricht, dass sogar ein SEK anwesend sei und die Dächer inspizieren würde. Dies wurde später von mehreren Personen bestätigt.Währenddessen versammelten sich immer mehr solidarische Menschen an den Absperrungen der Schweine, sodass sie um viertel nach sieben anfingen, die Straße zusätzlich mit Hamburger Gittern abzusperren. Leider gab es keine größeren Durchbruchsversuche oder gar Angriffe gegen die Bullen. Um halb neun begannen die Bullen die Vordereingangsblockade brutal zu räumen. Von Schmerzgriffen, Fausstschlägen und dem altbewährten Pfefferspray-vorher-auf-die-Handschuhe-gesprüht-und-dann-in-die-Augen-greifen war alles dabei. Um viertel nach zehn begannen die Bullen mit der Räumung des Hinterhofs der Friedel54 und die Berliner BFE-Einheit konnte es natürlich nicht lassen, den Gartenzaun zum Innenhof der Friedelstraße54 umzutreten. Unter massiver Gewaltanwendung räumten sie die dortigen Blockaden. Genoss*innen aus der Blockade, berichteten im Anschluss von Faustschlägen, Kniestößen in den Rücken und auf den Kopf und mehreren Ohnmächtigen Blockierer*innen, sowie einem Angriff eines Polizeihundes auf eine Person. Nachdem die Blockaden alle geräumt waren kam es zu mehreren Festnahmen. Insgesamt war bis Tagesende von ca. 20 festgenommenen Menschen die Rede. Anschließend machten sich die Schweine der technischen Hundertschaft daran, zu prüfen wo der Einbruchsversuch in den Kiezaden durchgeführt werden sollte. Durch die Hintertür verschafften sie sich um 10:50 Zugang zu den Räumlichkeiten des Kiezladen, aber das war noch lange nicht das Ende der Geschichte. Kurz darauf twitterten sie, dass sie doch tatsächlich fast den Türknauf des Kellers, der unter lebensbedrohlichen Strom gesetzt worden sei, berührt hätten. Nachdem nahezu alle Medien diese bewusste Falschmeldung übernommen hatten, dementierten die Bullen ihren Tweet einige Stunden später. Zurück zum Schweineteam an der Barrikade im Inneren: Man munkelt, dass sie dort auf mehre Überraschungen und Barrikaden gestoßen seien, die mindestens drei Kettensägen und mehreren Flexscheiben das Leben kostete. Um 13:09 kam die Nachricht, dass die Bullen in die Friedel eingedrungen seien und die Personen aus dem Kiezladen abführen würden.

Schwein Nummer Drei: R2G Zur letzten Senatswahl tönte die LINKE noch groß: „Wählt uns und die Stadt gehört Euch“. Und so war die Räumung des Kiezladens Friedel54 auch nur ein weiterer von tausenden Beweisen, dass sich auch unter anderen Farben die Politik des Kapitals und des Parlamentarismus nicht verändert hat. Die Logik der kapitalistischen Verwertung wird nicht dadurch gebrochen, dass eine andere Partei die Kapitalinteressen ausübt, lediglich die Art und Weise der Durchsetzung variiert ein wenig. Der mutige Feigenblatt-Zuschauer Hakan Tas, der sich unter lebensgefährlichen Bedingungen auch nicht von den Berliner Bullen des Platzes veriwesen ließ, konnte es sich natürlich nicht nehmen lassen noch einmal deutlich zu sagen „Auch wir sind gegen Zwangsräumungen“. Ob er sich nicht bewusst darüber war welchen Schwachsinn er gerade von sich gab weiß nur er selber. Auch Bezirksbürgermeisterin Giffey versuchte Händeringend in der rbb-Abendschau die Zwangsräumung zu erklären, sie war immerhin ein wenig kreativer und versuchte es mit der Spaltung an der Gewaltfrage. Immerhin seien die Eigentümer der Friedel54 massivst angegriffen wurden, da könne man keine große Verhandlungsbereitschaft erwarten.
Alles in allem ein frustrierender Tag, mit deutlich zu wenig Gegenwehr, aber mit der Gewissheit, für das Richtige zu kämpfen. Mit der Gewissheit, dass die Schweine Schweine sind. Mit der Gewissheit, dass wir niemals auf die Parlamente vertrauen dürfen, sondern nur auf unsere Selbstorganisierung von unten. 

#Hubert Maulhofer

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