Der Grüne gewinnt gegen den FPÖ-Kandidaten bei den österreichischen Präsidentschaftswahlen. Viel Grund zum Jubel gibt es dennoch nicht
Erleichterung in Österreich. Es ist vorbei. Nach den wochenlang andauernden immergleichen Debatten der beiden Präsidentschaftskandidaten wurde den ÖsterreicherInnen das wohlverdiente Ende der Wahlauseinandersetzung zunächst noch einmal um fast 24 Stunden vorenthalten. Am späten Montag Nachmittag stand nach Auszählung der Briefwahlstimmen dann endlich fest: der deutschnationale Burschenschafter Norbert Hofer übernimmt doch nicht das höchste Amt des österreichischen Staates. Bei FPÖ-Gegnern brandete sofort Jubel und Freude auf. Doch warum eigentlich? Der Sieg von Alexander Van der Bellen war derart knapp, dass vor allem eines klar ist: die FPÖ kann 50 Prozent der Wahlberechtigten mobilisieren. Die vereinigten FPÖ-Gegner schaffen gerade mal ebenso viel – keine schönen Aussichten für kommende Wahlauseinandersetzungen.
Natürlich sind nicht alle, die den FPÖ-Kandidaten Hofer in der Bundespräsidenten-Stichwahl gewählt haben, glühende FPÖ-Anhänger. Auch viele WählerInnen der konservativen Volkspartei (ÖVP) dürften sich am Sonntag bemüßigt gefühlt haben, einen Grünen als Präsidenten zu verhindern. Relevanter als die Frage, weshalb nicht mehr Menschen den grünen Kandidaten gewählt haben, ist aber ohnehin jene, weshalb die FPÖ derzeit einen derart beispiellosen Höhenflug erlebt. Seit Monaten führt die Partei in alle Umfragen, während Sozialdemokraten und Konservative immer schwächer werden. Die Grünen haben bei Regionalwahlen und in Umfragen relativ stabile Werte, und eine in Wahlauseinandersetzungen sichtbare Linke existiert weiterhin nicht. Demnach dreht sich die österreichische Innenpolitik darum, ob es der SPÖ gelingt, kurz- und mittelfristig WählerInnen zurückzugewinnen, die während der vergangenen Jahre zur FPÖ abgewandert sind. Passiert dies nicht, dürfte der nächste Bundeskanzler von der FPÖ gestellt werden.
Derzeit deutet allerdings nicht viel darauf hin, dass der österreichischen Sozialdemokratie eine Wende hin zu einer Politik gelingt, die die soziale Frage in den Mittelpunkt stellt und auch Antworten auf diese findet. Der seit wenigen Tagen amtierende neue Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern brachte zwar in seinen ersten Stellungnahmen eine etwas weniger resignative Rhetorik in die politische Debatte, inhaltlich zeichnen sich jedoch keine Veränderungen ab. Und in der Tat ist der politische Spielraum für die SPÖ genau so eng wie für alle neoliberal gewendeten europäischen sozialdemokratischen Parteien. Ein bedingungsloses Festhalten an dem von den EU-Verträgen vorgegebenen Rahmen vermag keinen Weg aus Krise, steigender Arbeitslosigkeit und zunehmender Armutsgefährdung immer größerer Bevölkerungsschichten zu weisen. Niemand weiß das besser als sozialdemokratische Politiker, die deshalb ihre Ratlosigkeit kaum mehr verbergen. Dem neuen SPÖ-Chef und Polit-Quereinsteiger wird das auch bald klar werden.
An genau dieser Perspektivenlosigkeit knüpfen die Rechten an. Dabei nützen sie vor allem das Tabu der EU-Kritik, das sich alle anderen Parteien selbst auferlegt haben. Auch in der nun geschlagenen Wahlauseinandersetzung in Österreich wurde dies abermals deutlich. FPÖ-Kandidat Hofer gab sich betont EU-skeptisch und sagte etwa von Beginn an, dass er als Präsident das TTIP-Abkommen nicht unterzeichnen würde. Der Grüne Van der Bellen gerierte sich demgegenüber demonstrativ „europäisch“ und empfahl „mehr Europa“ als Antwort auf die strukturellen Probleme – ganz so als hätte es das Austeritätsdiktat gegenüber Griechenland oder ein Totalversagen der EU in der Flüchtlingskrise nie gegeben.
Wie selten zuvor wurde bei dieser Wahlauseinandersetzung deutlich, dass Moralisieren gegen die Rechte zu wenig ist – in direkter Konfrontation lässt sich damit nur mehr äußerst knapp gewinnen. Die Antwort auf das Erstarken von Parteien wie der FPÖ, AfD oder dem Front National kann nur sein, die soziale Frage in den Mittelpunkt der Politik zu stellen. Eine Linke, die diese Aufgabe übernimmt, ist in Österreich nur mit der Lupe in Gestalt kleiner Gruppen oder einzelner linker Feigenblätter bei Sozialdemokratie und Grünen sichtbar. In anderen EU-Ländern sieht es nicht wesentlich besser aus. Grund zum Feiern gibt es nicht.