In den kurdischen Landesteilen der Türkei eskaliert die Gewalt. Über die Hintergründe des Konflikts und den Widerstand der kurdischen Bevölkerung. Interview mit Ercan Ayboga
Seit nunmehr einem halben Jahr eskaliert der Konflikt im Südosten der Türkei zwischen der PKK und einer aufständischen Bevölkerung auf der einen Seite und türkischen Staatsmacht auf der anderen. Mehrmals wurde in dieser Zeit in verschiedenen Provinzen der Region der Ausnahmezustand ausgerufen und nachdem am 28.11.2015 der prominente kurdische Anwalt Tahir Elçi erschossen wurde, nahmen die Kämpfe an Heftigkeit zu. Über zahlreiche Städte wie Silopi, Cizre, Nusaybin oder Dargeçit wurde eine Ausgangssperre verhängt, die teilweise nun schon seit über einem Monat mit Waffengewalt aufrecht erhalten wird. Auch im historischen Stadtteil Sur in Diyarbakır, das auf kurdisch Amed genannt wird, toben seit Wochen heftige Feuergefechte zwischen Anhängern der „Bewegung der revolutionären-patriotischen Jugend“ (YDG-H) und türkischen Sicherheitskräften, die mit Scharfschützen und Artillerie gegen die Aufständischen vorgeht.
Während in manchen Gemeinden zahlreiche Zivilisten die umkämpften Stadtteile und Städte verlassen, tobt in den Medien ein Krieg um die Deutungshoheit über den Konflikt. So sieht die Regierung in der YDG-H lediglich eine „Terrororganisation“ und erklärt ihr hartes Vorgehen mit dem Kampf gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, während die Gegenseite von einem Krieg des Staates gegen die gesamte kurdische Bevölkerung spricht. Als Beweis hierfür wird angeführt, dass nicht nur militante Kämpfer Ziel der Polizei- und Militäraktionen seien, sondern auch friedlichen Proteste, Kundgebungen und Demonstrationen. So wurde in der letzten Woche, am 31.12.2015 ein Protestmarsch in Amed, der sich gegen die Ausgangssperre und den Militäreinsatz richtete, durch einen massiven Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern aufgelöst. Auf anderen Demonstrationen kam es sogar zu Todesfällen, als türkische Polizeikräfte mit scharfer Munition in die Menge schossen.
Doch was ist der Grund des Konflikts und warum eskaliert die Lage gerade jetzt so heftig? Wir sprachen mit Ercan Ayboga, Mitarbeiter der Senatsverwaltung von Diyarbakır, über die Hintergründe der jüngsten Auseinandersetzungen, in denen vor allem Zivilisten sterben.
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