“Nichts hat mir in meiner politischen Karriere mehr geschadet, als die verdammten Chaos-Tage.”
Gerhard Schröder 1996, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, später Bundeskanzler, heute Wirtschaftslobbyist
Sonderheft zu den Chaos-Tagen 2000, Quelle: Privat
Am letzten Sonntag vor genau 15 Jahren saß ich in einem Zug Richtung Ruhrgebiet, der aus der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover kam. Soeben hatte das geilste Wochenende meines jugendlichen Lebens hinter mich gebracht. Hinter mir lagen drei Tage voller Spiel, Spaß und Action: Ich war bei den legendären Chaos-Tagen in Hannover. Jetzt war ich wirklich ein Punk und hatte meine Aufnahmezeremonie erfolgreich hinter mich gebracht.
Die verschnarchte Provinzgroßstadt bot mir kurzzeitig so ziemlich alles, wonach sich mein Teenagerherz sehnte: Punks, Grenzerfahrungen und Gründe, die Polizei zu hassen. Dass kaum etwas passiert ist, war mir in diesem Moment egal. Nach ziellosem herumirren durch die unbekannte Stadt mit neuen Bekanntschaften kam es am frühen Samstagabend zu halbherzigen Barrikadenbau-Versuchen, die von der massenhaft anwesenden Polizei routiniert unterbunden wurden. Ich selbst war auch nur Beobachter. Nicht einmal einen Stein habe ich geschmissen und auch keine Mülltonne auf die Straße gerollt. Trotzdem kam ich mit anderen gemeinsam in eine Gefangenensammelstelle, wo die Party diesmal gut bewacht unter den Augen der Polizei weiterging, bis alle Punks nach und nach in Kleingruppen in ihre jeweiligen Heimatstädte versschickt wurden. Das erklärte Ziel, die Verhinderung der Weltausstellung Expo, wurde ebenfalls verfehlt. Das die Chaos-Tage 2000 nur ein müder Aufguss eines einstmals legendären Punktreffens war, konnte meine Begeisterung damals nicht bremsen.
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