„Wir wollen den Menschen zeigen, dass wir viele Talente haben“

24. Juni 2015

Interview mit Fox von der Camps Breakerz Crew aus Gaza –

Denken wir an Gaza, denken wir an Krieg. Das ist nicht falsch, denn dort ist ja auch Krieg. Was aber übersehen wird, ist, dass es in Gaza dennoch ein Leben gibt, dass es einen Alltag gibt und Menschen, die versuchen, unter schwierigsten Umständen Freude und Hoffnung in Gaza am Leben zu erhalten. Zu diesen Menschen gehört die Camps Breakerz Crew (CB-Crew), Breakdancer, die derzeit unter dem Motto „Break the Wall“ durch Europa touren. Oder zumindest touren wollten. Denn die Ausreise wurde ihnen verweigert. Und so konnten sie nicht – wie eigentlich geplant – am 24. Juni im Berliner Yaam auftreten.

Die Veranstaltung fand dennoch statt, hochkarätig betanzt von der Flying Steps Academy und Bboy Storm, angeheizt von MC Trix und abgerundet mit politischer Dichtung in deutscher und arabischer Sprache. Via Skype gab´s dann doch noch eine Tanzeinlage direkt aus Gaza. Etwa 150 Gäste waren trotz saumäßiger Wetterverhältnisse gekommen und zeigten ihre Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung und den B-Boys und B-Girls aus Gaza.

Break the Wall: Fox (rechts) will mit dem Tanzen Mauern durchbrechen

Break the Wall: Fox (rechts) will mit dem Tanzen Mauern durchbrechen

Obwohl die Camps Breakerz aus Gaza nicht anreisen konnten, hatten wir die Gelegenheit mit einem von ihnen zu sprechen: Fox, der mit der CB-Crew Breakdance gelernt hat und heute in Norwegen lebt.

Wie ist die Idee zu dem Projekt aufgekommen? Wie habt ihr damit angefangen, mit Jugendlichen Breakdance in Gaza zu machen?

Eine Musiklehrerin, Cecilia, ist nach Gaza gegangen, um Musik zu unterrichten. Sie war schon oft da gewesen und eines Tages hat sie dann die CB-Crew getroffen. Sie mochte, was wir tun, und sie wusste gar nicht, dass es so etwas wie Breakdance in Gaza gibt.

Es gefiel ihr sehr. Also haben sie und der Anführer unserer Gruppe, Shark, begonnen, sich über die Idee eines solchen Projekts zu unterhalten. Sie hat dann gefragt, ob wir Interesse haben, hier her zu kommen, nach Europa zu reisen und dort aufzutreten. Wir haben ja gesagt und angefangen, Einladungen zu bekommen. Aber als die Jungs dann versuchten, die Grenze zu Israel zu passieren, war das nicht möglich. Ich weiß die genaue Ursache nicht, aber es ist hart, von Gaza aus, irgendwo hin zu reisen.

Für mich war es auch neu, dass es Breakdance in Gaza überhaupt gibt. Wie sieht diese Jugendkultur aus? Wie hat alles begonnen?

Es hat mit unserem Gründer Funk angefangen. Er ist zwar Palästinenser, hatte aber in Saudi-Arabien gelebt. Er hat Breakdance dort kennengelernt. Als er nach Gaza kam, gab es keinerlei Breakdance dort, nichts. Es war wie die Wüste Sahara, was Breakdance anbelangt. Er hatte einen Traum, diesen Tanz mit Gaza zu teilen und ihn bekannt zu machen. Zuerst hatte er viele Probleme mit der Gesellschaft, weil das ja etwas völlig Neues war. Nicht jeder konnte das gleich akzeptieren.

Wenn du in einem muslimischen Land lebst, musst du die ganze Zeit straight sein, und für viele ist es merkwürdig, wenn man mit so einem Tanz daherkommt. Aber Funk fing trotzdem an, zuerst mit seinen beiden Brüder, Shark und Ja-Rule. Die Leute sahen dann, wie sie tanzten und einige zeigten Interesse. Und so entstand die Crew mit dem Namen Camps Breakerz.

Via Skype dabei: Die Jungs der CB-Crew live aus Gaza

Via Skype dabei: Die Jungs der CB-Crew live aus Gaza

Ich bin etwa fünf Jahre, nachdem alles begonnen hatte, dazu gekommen. Ich war damals ungefähr elf Jahre alt. Ich hab gefragt, ob ich mitmachen kann, und sie haben mich mit offenen Armen aufgenommen. So wurde ich CB-Crew-Mitglied.

Du hast gesagt, dass die Leute am Anfang ein wenig skeptisch waren. Wie ist das jetzt, werdet ihr akzeptiert?

Ja, sie akzeptieren es. Es ist fast schon verwunderlich, ich dachte nie, dass Breakdance eine ganz normale Sache in Gaza sein wird. Es war sehr überraschend, wie positiv die Menschen reagierten. Jetzt laden uns viele ein, Shows zu machen. Wir waren auch in islamischen Universitäten und haben Breakdance aufgeführt. Es ist eine wirklich erfreuliche Überraschung. Ein Traum ist wahr geworden. Wir wollten Gaza mit Breakdance und Hip-Hop-Kultur füllen und das ist auch geschehen. Jetzt gibt es viele B-Boys in Gaza und viele Crews. Es ist schön, das zu sehen.

Gibt es auch weibliche Breakdancer?

Ja, wir haben einige B-Girls in der CB-Crew. Sie sind sehr jung, 9, 10 Jahre alt. Wir haben eine Facebook-Seite für sie, aber die ist geschlossen, nicht öffentlich, damit nicht jeder das sehen kann. Denn für Frauen in Gaza ist es schwieriger mit dem Breakdance. Das hängt mit der Kultur zusammen. Es wäre falsch zu sagen, dass es illegal ist, oder so. Aber es ist für viele seltsam, wenn ein Mädchen tanzt. Also haben wir ein privates Tanzzentrum für die Girls, in dem nur sie und der Lehrer sind.

Wie ist es zu dem Namen „Camps Breakerz“ gekommen?

Es liegt daran, dass wir ja in Camps leben. Menschen, die in den Camps leben, sind nicht wie Menschen, die in einer normalen Großstadt leben. Es ist ja hier auch nicht anders, es gibt Unterschiede, ob du in Berlin wohnst, oder in einer kleinen Stadt, sind die Leute auch anders. In den Camps gibt es auch so Verhaltensweisen. Du musst ein Mann sein, du musst straight sein.

Als wir angefangen haben, haben wir uns Camp Breakerz genannt, eben weil wir die Camps aufbrechen wollten. Und der Titel „Break the Wall“ kommt natürlich daher, dass um Gaza eine große Mauer steht und wir können nicht an dieser Mauer vorbei. Also nannten wir es „Break the Wall“, weil wir den Traum haben, die Mauer zu durchbrechen und reisen und uns bewegen zu können.

Wie ist das Leben als Jugendlicher generell in Gaza, mit den ständigen Erfahrungen von Krieg und Repression? Sind die Jugendlichen verzweifelt oder machen sie das beste draus?

Es ist normal für uns geworden. Wenn man in einem Land im Krieg aufwächst, ist das eben Alltag. Wenn du in einem Land aufwächst, in dem viel getanzt wird, gewöhnst du dich ans Tanzen. Wenn du in einer großen Stadt aufwächst, wir das Leben in einer großen Stadt eben das sein, was du für normal hältst. Wir wachsen in einer Umgebung auf, in der der Krieg normal ist, also wurde er auch für uns normal. Wir haben keine Angst mehr vor dem Krieg. Wenn die Flugzeuge kommen und bombardieren, habe ich keine Angst mehr. Ich weiß nicht warum, aber wenn du 15 Jahre lang dort lebst und dauernd kommen Bomben und Bomben und Bomben, dann werden die Bomben eben normal für dich.

Glaubst du, dass sich diese Situation verändern kann?

Es gibt immer Hoffnung. Wir hoffen, dass sich alles ändern wird. Wir hoffen, dass wir durch die ganze Welt reisen können und unsere Botschaft über Gaza verbreiten können. Es geht nicht nur um Breakdance, es geht auch darum zu zeigen, was wir in Gaza sind und was wir brauchen. Wir wollen überall hin reisen können, nach Asien, Europa, Afrika und unsere Botschaft verbreiten können.

Gibt es in Gaza Probleme mit der Hamas? Sind sie skeptisch demgegenüber, was ihr macht?

Eigentlich nicht, nein. Ich habe dir ja schon gesagt, wir sind eingeladen worden von einer Hamas-Universität, um eine Show aufzuführen. Klar, wenn wir bei ihnen auftreten, haben sie es lieber, wenn wir eine Melodie spielen, die nicht ganz so Hip Hop mit vielen Lyrics ist. Wenn sie uns einladen, haben sie bestimmte Wünsche. Aber wenn wir woanders tanzen, mischen sie sich nicht ein in das, was wir tun. Vielleicht gabs am Anfang einige Probleme, aber jetzt nicht, keineswegs.

Was wollt ihr dem Publikum in Deutschland mitgeben, die zu eurer Show kommen?

Support aus Kreuzberg: Schüler der Flying Steps Academy

Support aus Kreuzberg: Schüler der Flying Steps Academy

Wir wollen den Menschen zeigen, dass wir viele Talente in Gaza haben. Du hast ja selbst gesagt, dass es neu für dich ist, dass es Breakdance in Gaza gibt. Wir haben das und vieles anderes: Wir haben Skateboarder, Hip-Hopper, Rapper, Schauspieler, Musiker. Wir wollen der Welt zeigen, dass wir in dieser kleinen Stadt viele Talente haben, die etwas Großes bewirken könnten. Aber sie sind in einem Gefängnis, sie können nicht hinaus und zeigen, was sie können.

Wenn ich jemanden in irgendeinem Land, in Italien oder Spanien oder sonstwo frage, was weißt du über Gaza, ist die Antwort immer: Israel bombardiert Gaza andauernd. Ok, aber was weißt du über die Stadt, über das Leben drinnen? Wenn du dann sagst, dass wir Breakdancer haben, hörst du: Oh, wirklich, ihr habt das? Es ist seltsam für sie, das zu hören. Ich weiß nicht warum das so ist, aber wahrscheinlich daran, weil Gaza wie ein Gefängnis für uns ist und wir nicht rauskönnen und der Welt zeigen können, wie viele Talente es bei uns gibt.

Wir glauben auch, dass das Tanzen Frieden bringen kann. Wir sind friedliche Menschen, wir wollen den Frieden. Wir wollen, dass der Krieg aufhört und sich jeder zum anderen friedlich verhält. Das Tanzen kann helfen. Wenn ich einen schlechten Tag habe, dann tanze ich und werde den ganzen Stress los. Es ist ein guter Weg, runterzukommen und Freude zu haben.

# Danke für die Fotos an Margot Goldstein

 

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